Pressestimmen

Südwestpresse Ulm 02.01.2017

 

Mittelschwäbische Nachrichten 09.12.2017

„Zauberflöte“ und Tonspuren auf dem Smartphone

Peter Bauer ging bisher recht unmusikalisch durchs Leben. Was er beim „Selbstversuch“ bei Gesangslehrerin Marianne Altstetter erlebt hat.

Von Peter Bauer

Zweieinhalb Meter Weihnachten sozusagen. Gesangslehrerin Marianne Altstetter blickt gedankenverloren auf den Schrank, prall gefüllt mit Notenmaterial. Ausschließlich Weihnachtslieder, Adventslieder, derzeit gewissermaßen auch die Welt von Marianne Altstetter. Die Chorleiterin ist mit ihren Chören in diesen Wochen an vielen Orten in der Region zu hören. Unvermittelt hat sie einen Meterstab zur Hand, legt ihn an den Schrank. „Deutlich über zwei Meter, wohl eher zweieinhalb“, sagt sie dann. Die Dimension von Musik kann man nicht in Zahlen oder gar Längen messen. Doch allein die Zahl „zweieinhalb Meter“ lässt ahnen, mit welcher Leidenschaft Marianne Altstetter eintaucht in die zauberhafte Welt der Musik.

Und auch ich bin nun für Augenblicke mittendrin. Gesangsstunde bei Marianne Altstetter. Gedanken an den Schulmusikunterricht vor Jahrzehnten, in den späten 70er- und frühen 80er- Jahren, in dem ich, umschreiben wir es wohlwollend, nicht durch eine besondere Begabung aufgefallen bin. Nun aber auf ein Neues, für unsere Zeitungsserie mit dem Titel „Ich probier’s mal“.

Gesang? Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich da wohl irgendetwas anderes probiert. Vielleicht Kegeln, Bogenschießen oder auch Schafkopfen. Doch da war der Zufall einer Radtour in den südlichen Dolomiten. Seit einigen Jahrzehnten fahre ich, durchaus mit einer gewissen Beharrlichkeit, diverse Alpenpässe und Bergstraßen mit dem Rennrad nach oben.

Am 29. Mai 2017 ist es ein Berg mit dem etwas seltsam klingenden Namen Monte Grappa am südlichen Ende der Alpen. 1775 Meter hoch. Es gibt höhere Pässe in den Alpen. Aber die Fahrt beginnt in einem lieblichen Ort namens Bassano auf gerade einmal 130 Metern Höhe, Venedig ist hier nicht mehr weit. Der Grappa ist ein langer, steiler Anstieg und ich habe nicht gerade meinen besten Tag erwischt. Der Gipfel ist nur schemenhaft im Dunst erkennbar. Dann dieser Moment. Ein Radler scheint in rasender Abfahrt buchstäblich aus dem Nebel zu fliegen, er winkt mir kurz zu, „zischt“ an mir vorbei, er singt – und wie! Ein melodischer Tanz der Luft auf rasender Fahrt ins Tal. Ich kann das Lied nicht identifizieren. Es klingt nach italienischer Oper. Singend auf dem Rennrad? Oh, diese beneidenswerten italienischen Lebenskünstler! Leider gerät so etwas im Alltag schnell wieder in Vergessenheit. Doch dann gibt es unsere Serie „Ich probier’s mal“…

Anruf bei Gesangslehrerin Marianne Altstetter in Wattenweiler. Ich erzähle ihr die Grappa-Geschichte, sage aber auch, dass ich vom Singen keine Ahnung habe. Sie lässt durchblicken, dass es bei ihr im Unterricht auch schon diverse harte Fälle gab. Das macht ein bisschen Mut und so stehe ich kurze Zeit später bei ihr am Klavier.

Zunächst etwas Theorie, Stimmband-Aufbau (Stimmbildung), Atemtechnik (an die Nase denken!), die Funktion des Zwerchfells. Sie erzählt, dass sie in ihrer Kindheit immer wieder unter chronischer Bronchitis gelitten habe. Nicht zuletzt der Gesang, die geschulte Atemtechnik habe ihr geholfen, das in den Griff zu kriegen. Gesang ist ganz einfach – auch gesund.

Dann spielt sie die ersten Töne auf dem Klavier an, die es nachzusingen gilt. Tenor? „Oh, da geht nichts“, sagt sie. Na denn, runter auf der Tonleiter. Angesichts außerordentlich spärlicher Kenntnis des Notenlesens singe ich, sagen wir, „aus dem Gefühl“ nach. Aber für die vollendete Tiefe reicht es auch nicht. Also nicht Bass, sondern Bariton, „mittlere Lage“. Wenigstens sagt Marianne Altstetter, dass ich „kein hoffnungsloser Fall“ sei und nach einer gewissen ausdauernden Übung durchaus irgendwann einmal in einem Chor mitsingen könnte. Diese wohlwollenden Worte tun dann doch ganz gut.

Und sie ahnt, was ich wohl irgendwie gerne singen würde. Das ist Oper, Operette. Ich spüre meine Vermessenheit, aber Träume kennen eben keine Logik und vielleicht klappt es ja mit ein paar Noten… So „serviert“ Marianne Altstetter „Caro mio ben“ von Tommaso Giordani (1730 bis 1806), „Der Vogelfänger bin ich ja“ aus der Oper „Zauberflöte“ von Mozart (1756 bis 1791) und dann „Dein ist mein ganzes Herz“ aus der Operette „Das Land des Lächelns“ von Franz Lehár (1870 bis 1948).

Die Anfänge sind mühsam, es bleibt mühsam, es reicht nur für ein paar sehr kurze Passagen. Bei „Dein ist mein ganzes Herz“ ist nach „…wenn sie nicht küsst der Sonnenschein…“ Schluss, danach wird es buchstäblich zu hoch für mich. Doch Marianne Altstetter macht mir immer wieder Mut. „Die Töne nicht fallen lassen, sondern halten“, sie führt mich, am Klavier spielend und die Töne setzend, behutsam durch eine fremde und gleichermaßen faszinierende Welt.

Zuvor dies allenfalls ahnend, spüre ich, mit wie viel Übung, Fleiß und Einsatz die Erschließung dieser Welt verbunden ist. Und es geht nicht ohne Hausaufgabe. Marianne Altstetter schickt mir vor ihr gesungene Tonspuren der ausgewählten Stücke aufs Handy. Das Smartphone – das ist immer ein etwas blecherner Klang. Doch selbst dabei höre ich, wie viele Lichtjahre sie mit ihrem Gesang von meinem „Selbstversuch“ entfernt ist. Aber die mehrfachen Übungen zu Hause scheinen mich tatsächlich „ein paar Millimeter“ besser zu machen.

Rund eine Woche später bin ich wieder bei ihr, vorsingen, sozusagen das Ergebnis der Hausaufgabe vorstellen. Aber auch das Gefühl der Traumwelt Musik, dieser herrlichen Illusion, auf eine besondere Weise spüren. Dafür haben wir uns etwas Ungewöhnliches ausgedacht. Sie im edlen Kleid, ich in Anzug und Zylinder. Für viele Männer wäre es offenbar etwas besonderes, mit Zylinder aufzutreten, sagt eine Kollegin aus der Redaktion. Dem ist wohl tatsächlich so. Zylinder? Marianne Altstetter denkt an den Zylinder ihres Großvaters, irgendwo im Schrank muss er sein. Nach einigen Minuten findet sie ihn. Ein edles Stück, er sieht buchstäblich wie neu aus. Aber er ist 84 Jahre alt. „Mein Großvater fiel in den letzten Kriegstagen 1945 bei Berlin“, erzählt Marianne. Der Blick auf diesen Zylinder, er ist zunächst beklemmend. Der Gedanke an Tod und Krieg führt auch zurück zum Monte Grappa, diesem Schlachtfeld des Ersten Weltkrieges, zu dem Berg, auf dem mehr als 20000 Soldaten begraben liegen. Nun singen dort italienische Rennradler Opern. „Und mein Großvater war glücklich, als er den Zylinder trug“, sagt Marianne Altstetter. Es war sein Hochzeitszylinder.

In Höselhurst auf einem Bauernhof aufgewachsen

Sie erzählt aus ihrer Kindheit. 1966 geboren, aufgewachsen auf einem Bauernhof in Höselhurst, drei Geschwister. Schon früh spürt sie ihre Freude am Gesang. Bereits mit zehn Jahren singt sie mit ihrer Oma im Kirchenchor St. Peter und Paul in Wattenweiler. Auch nach dem Abitur 1986 folgt sie beharrlich ihrer Leidenschaft: Unter anderem Ausbildung in der Berufsfachschule für Musik, Privatstudium bei Kammersänger Paul Kuen im Allgäu und Siglinde Damisch in Augsburg, dann die Meisterklasse der Bayerischen Theaterakademie München. Heute unterrichtet sie unter anderem Stimmbildung und Gesang an den Gymnasien in Weißenhorn und Ursberg. Sie gibt privaten Gesangsunterricht und leitet drei Chöre (Chorgemeinschaft Holzschwang, Liederkranz Pfaffenhofen, Gesangsverein Liederlust Wallenhausen). Immer wieder tritt sie auch als Solistin auf. Und in diesen Wochen, angesichts der vielen Advents- und Weihnachtskonzerte, greift sie natürlich immer wieder in ihren Schrank mit „zweieinhalb Metern Weihnachten“.

Zum Finale unserer zweiten Gesangsstunde bei ihr versuche ich mich mit ein paar Tönen noch an „Yesterday“ von den Beatles. Es ist ein schweres Stück. Und da ist diese melancholische Versunkenheit. Aber so ist die Musik: Das Land des Lächelns und Versunkenheit – die ganzen Wellen des Lebens. Und Musik ist eine schöne Botschaft, wenn sie auf einstigen Schlachtfeldern Opern singen. Diese Botschaft gibt mir Marianne Altstetter mit. Ich möge es auf dem Rennrad einmal probieren, ein weiterer „Selbstversuch“ sozusagen.
 

Mittelschwäbische Nachrichten 27.6.2012

Original-Link Augsburger Allgemeine: http://www.augsburger-allgemeine.de/neu-ulm/Mit-Gloeckchen-und-Klangwellen-id20768776.html

NUZ 26.11.2010

Lieder wie kleine Opern
Album der großen Gefühle mit Marianne Altstetter und Dominik Herkommer

Roggenburg. Fast täglich erscheinen im Musikbetrieb neue „Alben“. Selten entsprechen sie den poetischen Vorstellungen, welche die meisten Menschen mit einem Album verbinden. Jetzt erschien eine CD der Sopranistin Marianne Altstetter und ihres Klavierbegleiters Dominik Herkommer, die glanzvoll hält, was ihr Name verspricht. „Liederalbum“ ist sie überschrieben und sie verbreitet jene romantisch-spätromantische Stimmung, die einen Abend zu Hause zu einem konzertanten Erlebnis werden lässt. Fünfzehn Lieder, die im Zeitraum des 17. bis 20. Jahrhunderts entstanden sind, können sich die Klassikfans von Purcell, Schubert, Schumann, Liszt, Strauß und Barber auf der Zunge zergehen lassen. Die strahlende Sopranistin und ihr gefühlvoller Begleiter entführen in lyrisch-lebendige Tonwelten, in denen vor allem die Sprache der Liebe zu Wort kommt. „Kunstlieder sind aus meiner Sicht in sich geschlossene kleine Opern, deren Lebendigkeit von der Textinterpretation und vom Farbenreichtum des Gesanges und der Begleitung getragen werden“, sagte Marianne Altstetter bei der CD-Vorstellung. Dominik Herkommer unterstreicht ihren Gesang mit sensiblem Spiel. Dem 20-jährigen Newcomer aus Breitenthal versprechen sowohl seine Lehrer als auch die Presse als Pianist und Organist eine glänzende Zukunft. Die Gesangsdozentin und Stimmbildnerin Marianne Altstetter „entdeckte“ ihn beim Unterricht als Liedbegleiter für ihre Liederabende und für die Arbeit im Tonstudio. „Marianne Altstetter ist für unser Musikleben sowohl als Pädagogin als auch als strahlende Sopranistin unersetzlich“, meinte Roggenburgs bedeutender Organist Pater Stefan Kling in einem NUZ-Gespräch. Er ist auch vom erfolgreichen Weg seines Meisterschülers Dominik Herkommer überzeugt. Sein sinnlich-begleitendes Spiel auf der CD klingt wie eine Avance „An die Nachtigall“, Schuberts Bekenntnis zum zärtlichen Lied. „Wanderers Nachtlied“ von Franz Liszt, „Zueignung“ von Richard Strauß, „Mondnacht“ von Robert Schumann, „I Attempt from Love´s Sickness“ von Henry Purcell oder „A Slumber Song of the Madonna“ von Samuel Barber sind einige der Titel auf dem Album. „Es muss ein Wunderbares sein“, verspricht Liszt in einem Lied. Die Antwort auf seine Ahnung erhält man beim Hören der CD. Sie ist erhältlich im Klosterladen Roggenburg, im Kloster Wettenhausen, beim Musikhaus Knoll in Thannhausen, in online-Angebot über VE-Records oder unter telefonischer Bestellung (08283) 1275. (mde).


Ein romantisch-spätromantisches „Liederalbum“ veröffentlichte die Sopranistin Marianne Altstetter mit ihrem Begleiter am Klavier, Dominik Herkommer. Beide sind eng mit dem Musikleben in der Roggenburger Klosterkirche verbunden.